Caro
Thomas
Juli 21, 2019
6 min read
Crazy Slabs
Platten-Training oder auch Gehirn-Jogging in unsrer 2. Mehrseillänge im Bow-Valley
Platten-Training oder auch Gehirn-Jogging in unsrer 2. Mehrseillänge im Bow-Valley
Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg zum Felsen auf der gegenüberliegenden Straßenseite vom Schlafplatzal aus. Heute soll‘s eine eingebohrte Mehrseillänge werden, um Reinzukommen ins Klettern von langen Touren, bevor dann die große Herausforderung wartet: Yamnuska trohnt über‘m Tal und wir haben während der ganzen Tour heute einen super Blick auf das Felsmassif.
Aber erstmal mussten wir unsere Tour finden... Und das war mal wieder gar nicht so einfach.
Der Zustieg#
Wir laufen über Stock+Stein quer durch den Wald, da wir den Weg verlassen hatten, da der unserem Gefühl nach in die falsche Richtung geführt hätte... Wir kommen auf eine Lichtung – gut, die ist auch so im Buch beschrieben. Und jetzt? Wo geht es weiter? Irgendwo soll es hier eine „Drainage“ geben: „Turn left onto a narrower trail that leads up the left side of the Corie Dubh drainage.“ - "Narrower trail...!?", meinen die Kanadier damit nicht vorhanden? Wieder geht es quer durch den Wald, bis wir auf ein Geröllfeld kommen und auf diesem unseren Weg in Richtung Felswand fortsetzen. Nach geraumer Zeit kann ein Trail erahnt werden, der – wie beschrieben – auf der linken Seite nach oben führt. Ist es nur der nervige Zustieg oder auch das Wetter, das uns total fertig macht heute? Oben angekommen, freuen wir uns über das Wasser das von dieser „Drainage“ nach unten kommt: Erfrischung und Pause. Der Zustieg hat uns gute 2,5 anstatt 1 h gekostet...
Die Tour#
Dann geht es an die Wand - Nanny Goat Corie Dubh nennt sie sich – der Einstieg zur Beautiful Century ist zum Glück leicht zu finden. Da es bereits 13:15 Uhr ist, verschwindet die Sonne gerade hinter der Bergkante. So wird die Tour auch von den Locals von Vertical Addicted aus Canmore beschrieben: „Fun climbing at a moderate grade with a single cruxy move. It gets early morning sun so bring an extra layer if you’re climbing in the afternoon.“ Uns kommt das gerade gar nicht so ungelegen, da wir die Wärme ja nicht mehr gewohnt sind. ;-)
Los geht‘s: Die 3. Seillänge ist die mit diesem "single crux move" – die bekommt der Thomas – also fängt der auch an. Guter Plan. „Aber wart‘ mal, die ersten beiden könnte man auch zusammenhängen, also lass mich mal anfangen!“, total enthusiastisch starte ich in die sehr einfach aussehende, erste Seillänge.
„Ach herrjemine, eine Platte...“, die anfängliche Begeisterung wandelt sich schnell in Entsetzen um. Ich stehe mit den Füßen noch am letzten Bolt, doch für die Hände gibt es so rein gar nichts mehr in meiner Reichweite... Der Kopf malt sich schon das Abrutschen und Entlangschrabben an der recht rauhen Platte aus...
- Nochmal runter zum Bolt – nochmal drüber nachdenken.
- „Das schaffst du schon!“, ruft der Thomas von unten.
- Ok, noch ein Versuch: etwas weiter rechts sieht es besser aus.
- Auf einmal stehe ich drei Meter rechts oberhalb vom Bohrhaken und der nächste befinden sich fünf Meter weiter links oben...
- „Ohje, wie soll ich da jetzt wieder runter kommen?“, stelle ich erschrocken fest.
- Unten wird der Thomas langsam auch unentspannt und denkt sich (zum Glück) leise, "Ausweichen ist meistens gefährlicher, als einfach grade hoch...".
- Vorsichtig zurück zum Bohrhaken und zurück zu Plan a: Ich komme wieder runter und der Thomas bekommt die erste Seillänge. Immerhin meint er, als ich dann auch am ersten Stand ankomme, dass die Abstände da oben schon nicht Ohne waren... Und das aus seinem Munde!
Die zweite Länge sieht etwas steiler aus und beginnt in einer Verschneidung. Da fühle ich mich wohler. Am nächsten Stand angekommen ist die Stimmung wieder entspannt und die Top-Aussicht belohnt schon jetzt für die ersten Anstrengungen.
Die dritte Seillänge hält ihr Versprechen mit diesem "crux move" und ist trotz Bewertung („nur“ 5.10a) gar nicht so easy. Doch der rauhe Fels hat auch seine Vorteile – die Reibung ist echt super. Und so geht es an ein paar kleinen Leisten weiter nach oben.
Im Laufe der Vierten erwartet mich wieder eine Platte. Diesmal behalte ich die Nerven, vertraue meinen Füßen und komme mit kühlem Kopf oben an. Direkt noch das kleine Geröllstück (15m) mitgenommen und den Thomas nachgeholt, der dann wieder die etwas anspruchsvollere Länge vorsteigen darf.
Zum Abschluss noch zwei entspannte Seillängen – vielleicht haben wir uns auch mittlerweile an den Fels gewöhnt... Oder sind die Griffe der Platte in der vorletzten Seillänge doch etwas größer gewesen? Ich hab mich wohl gefühlt und bin sehr froh drum, nach den anfänglichen Schwierigkeiten... 😏
Die Gipfelbrotzeit oben war dann herzlich willkommen, da das Frühstück durch den unendlichen Zustieg doch schon ein paar Stunden zurück lag. Wir genießen den tollen Blick auf das Bow-Valley mit den letzten Ausläufern der Rockies.
Der Abstieg#
Runter geht's zu Beginn etwas steiler, aber sobald man die Rinne zwischen Kidd- und Nanny-Goat erreicht, kann man relativ entspannt absteigen. Man kommt noch am Sportklettersektor von Nanny-Goat vorbei, bevor es auf einem breiteren Weg zurück Richtung Parkplatz geht.
Dort wartet schon der Tschampsdara, auf dessen Dach den ganzen Tag die Solardusche lag. Eine kalte Dusche hätte es heute auch getan, denn es ist tatsächlich seit heute Sommer in Kanada. Egal - hauptsache erfrischt und dann ein kühles Radla genießen.
Super Tag. 😄
Quick Facts: Nanny Goat
- Route: Beautiful Century, 7SL (5.10a)
- Topo: Gibt es bei Mnt Project
- Zustieg: wohl 1h bei richtigem Weg
- Expo: Ost
- Gear: 12 Exen (inkl. Extender), 60m Seil
- Getting Down: Abstieg über Rinne Kid/Nanny Goat